Lieferengpässe in der Baubranche


Artikel vom 27.06.2022


Lieferengpässe bestimmen die Nachrichtenlage in der Industrie. Dominierend ist primär die Gefahr, dass Gas nicht mehr geliefert werden kann und somit die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht mehr gegeben ist. Andere Branchen haben schon lange mit gestörten Lieferketten, oder einem Mangel an Bauteilen zu kämpfen. Vorneweg ist die Baubranche, ihr fehlt nicht nur verschiedenste Bauteile, auch Rohmaterial ist oft Mangelware. Als Folge steigen die Preise und die Kalkulationen stimme nicht mehr, Projekte verschieben sich immer weiter in die Zukunft und neue Aufträge können nicht angenommen werden.

Was fehlt?

Die Baubranche und das verarbeitende Gewerbe, aber auch die ganze Industrie hat mit umfassenden Knappheiten zu kämpfen. Gerade viele Vorprodukte kommen aus China, aufgrund der Corona Pandemie und dem harten Vorgehen der Behörden, ist der weltweit größte Handelshafen in Shanghai gesperrt. Ein breiter Mangel aus Vorprodukten und damit den entsprechenden Bauteilen für die Baubranche, ist an der Tagesordnung. Dazu gehören Dämmstoffe, Kunststofffenster, Ummantelungen von Kabeln und Schalter. Generell sind auch elektronische Teile stark davon betroffen. Vor allem für die Installation von aufwendigen technischen Anlagen, wie Fotovoltaikanlagen und Wärmepumpen, fehlen Teile und nicht selten liegen die Wartezeiten bei bis zu sechs Monaten.

Holz und Kunststoff

Schon vor der Coronapandemie, aber verstärkt durch diese, gibt es einen großen Mangel an Holzprodukten. Das Bauholz für viele Aufträge fehlt und die Knappheit dieser Materialien sorgt für steigende Preise. Auch Kunststoffe werden schon seit Jahren, insbesondere von dem chinesischen und amerikanischen Markt aufgekauft. Kunststoffgranulat wurde zu einem immer begehrteren Gut und die Preise stiegen zwischenzeitlich um bis 75 % an. Eine Beruhigung des Holzmarktes wurde eigentlich erwartet, durch den russischen Überfall auf die Ukraine, ist allerdings das Gegenteil eingetreten. Auch das Fehlen simpler Produkte, wie Nägel aus Russland sind verantwortlich, dass Paletten-Hersteller ihre Produkte nicht mehr produzieren können und neue Lieferketten aufstellen müssen.

Ölembargo und eingeschränkte Gaslieferungen

Gerade vor einem Embargo von Öl fürchtet sich die Industrie. Wichtige Produkte wie Bitumen werden in Öl-Raffinerien hergestellt. In Folge der Sanktionen gegenüber Russland sind die Preise schon stark in die Höhe geschossen. Für die Chemieindustrie und die Versorgung mit Produkten, die Gas als Basis ihrer Produktion haben, aber auch den Glasbauer, ist ein Ausbleiben der Gaslieferungen fatal. Inzwischen werden Anreize gesucht, dass Privathaushalte, aber auch Unternehmen ihren Gasverbrauch drosseln, damit die Gasspeicher im Winter nicht komplett leerlaufen.

Gründe für die Lieferengpässe

Die Gründe für die Lieferengpässe sind inzwischen sehr komplex geworden. Die Globalisierung ermöglicht es den deutschen Unternehmen, günstig Rohstoffe und Vorprodukte einzukaufen. Gleichzeitig sorgt die Fixierung auf gewisse Lieferanten dafür, dass diese Lieferketten sehr vulnerabel sind. Werden die Lieferketten unterbrochen, muss erst ein neuer Lieferant gesucht, Verträge ausgehandelt und die Logistik in Gang gebracht werden. Die Coronakrise hat weltweite Lieferketten zusammenbrechen lassen: In Europa und auf der ganzen Welt wurden die Grenzen vieler Länder dicht gemacht. Lkw-Fahrer hatten dadurch extreme Wartezeiten an den Grenzen oder wurden schlicht nicht durchgelassen. Häfen wurden gesperrt, oder liefen voll mit Waren, weil diese nicht mehr mit Lkw abtransportiert wurden.

Ukrainekrieg verschärft die Situation

Nachdem Lockdowns in Europa und auf der ganzen Welt gelockert wurden, konnte sich die Lage langsam entspannen. Der russische Überfall auf die Ukraine und die daraus resultierenden Sanktionen gegen Russland verschärfen die Probleme nun wieder, gleichzeitig wurde in Shanghai und anderen chinesischen Städten ein Lockdown ausgerufen worden. Der Schienenverkehr nach China, der zu Zeiten der Lockdowns Europa zuverlässig versorgt hat, steht immer weiter unter Druck, weil die Linie unter anderem durch Russland führt.

Auswirkungen auf die Baubranche

Knapp die Hälfte der Unternehmen aus der Branche erwarten eine Verschlechterung ihrer Geschäfte aufgrund der Lieferengpässe. Eine deutliche Steigerung der Preise von Baustoffen erwarten ca. 82 % der Bauunternehmen. Vor allem die Versorgung mit Betonstahl wird aufgrund des Ukrainekrieges kritischer. Aus Russland, der Ukraine und Belarus wurden bisher ca. 40 % des benötigten Stahls importiert. Gleichzeitig ist die Nachfrage an die Bauindustrie auf einem Rekordhoch. Nicht nur plant die Regierung jährlich 400.000 neue Wohnungen, gleichzeitig muss auch die Verkehrsinfrastruktur saniert werden. Die Auftragsbücher der Baubranche bleiben also gut gefüllt, während sie gleichzeitig auch noch mit einem Personalmangel zu kämpfen haben.

Chancen ergreifen

Für die gesamte Industrie, vor allem aber auch die Baubranche bedeuten diese breiten Herausforderungen gleichzeitig Chancen. Die gestörten Lieferketten verdeutlichen, dass sich deutsche Unternehmen breiter aufstellen und ihre Lieferketten diversifizieren müssen. Gleichzeitig werden Abläufe optimiert. Gerade die Digitalisierung der Branche wird bei der Bewältigung vieler Probleme unterstützen können. Allerdings erfordert dies große Investitionen, die sich am Ende aber deutlich auszahlen werden. Auch in der Zukunft muss sich die Baubranche mit schwierigen geopolitischen Situationen auseinandersetzen. 


Bildquelle: unsplash.com Nutzer: Mark Potterton